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Warum ist das Merkblatt überarbeitet worden?

Daas Merkblatt enthält neu aufbereitete Informationen zu den Vor- und Nachteilen des Mammographie-Screening-Programms.

Der wichtigste Vorteil ist, dass das Mammographie-Screening-Programm Frauen das Leben retten kann. Der wichtigste Nachteil ist, dass auch Brustkrebs entdeckt wird, der langsam wächst, nicht streut und zu Lebzeiten der Frauen nicht auffällig geworden wäre (Überdiagnose).

Im neuen Merkblatt heißt es nun:

Von 1.000 Frauen, die 10 Jahre am Screening teilnehmen, können 1 bis 2 Frauen vor dem Brustkrebstod bewahrt werden. Eine Überdiagnose erhalten 5 bis 7 Frauen.

 

Was ist eine Überdiagnose?

Durch die Brustkrebs-Früherkennung werden auch Tumore oder Krebsvorstufen entdeckt, die ohne diese Untersuchung nicht auffällig geworden wären. Man findet also Brustkrebs, der ohne Früherkennung und ohne die folgende Behandlung nicht zum Tode geführt hätte. In diesen Fällen spricht man von einer Überdiagnose und einer Übertherapie.

Auch im Mammographie-Screening werden sehr frühe Brustkrebs-Erkrankungen oder sogenannte In-situ-Karzinome (DCIS) entdeckt. Ein Teil davon hätte sich im weiteren Leben der Frau nicht bemerkbar gemacht wie durch einen Tastbefund oder andere Veränderungen der Brust. Auch ohne Behandlung wäre die Frau nicht an Brustkrebs verstorben, sondern an einer anderen Erkrankung. Die Behandlung wäre also unnötig gewesen.

Aber auch wenn eine Frau einen Monat nach der Brustkrebs-Diagnose und mit einem aggressiven Brustkrebs an den Folgen eines Verkehrsunfalls oder einem Herzinfarkt stirbt, handelt es sich definitionsgemäß um eine Überdiagnose.

Überdiagnosen sind somit keine falschen Brustkrebs-Diagnosen. Es handelt sich tatsächlich um Brustkrebs oder Brustkrebsvorstufen, die nach einer Gewebeuntersuchung (Biopsie) als Brustkrebserkrankung bestätigt wurden.

Da sich jedoch auch mit einer Gewebeuntersuchung bei keiner Frau vorhersagen lässt, ob ihr Brustkrebs während des ihr verbleibenden Lebens harmlos bleibt, wird nach medizinischen Leitlinien eine an den Tumortyp und dessen Größe angepasste Behandlung empfohlen.

Übertherapien sind meist Behandlungen von frühen und noch langsam wachsenden Tumoren, die oft deutlich schonender behandelt werden können als fortgeschrittener Brustkrebs. Frauen benötigen in der Regel keine Chemotherapie, die Brust kann häufig brusterhaltend operiert werden. Auch die Achselhöhlen müssen nicht von befallenen Lymphknoten befreit werden.

Wie häufig Überdiagnosen vorkommen, kann die Wissenschaft nicht eindeutig beantworten, sondern nur grob schätzen. Welche Berechnungsmethode für die Schätzung von Überdiagnosen  am geeignetsten ist, ist wissenschaftlich umstritten. Im Merkblatt, das jede Frau in Deutschland mit der Einladung zum Mammographie-Screening erhält, steht dazu, dass von 1.000 Frauen, die 10 Jahre lang am Screening teilnehmen, 5 bis 7 Frauen eine Überdiagnose erhalten könnten.

Woher kommen die Zahlen im Merkblatt? Welche Studien wurden dafür herangezogen?

Das neue Merkblatt hat das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Auftrag des Gemeinsamen Bundesauschusses erstellt. Das Institut hat keine eigene Studie zu den Vor- und Nachteilen durchgeführt, sondern schon bestehende Studien ausgewertet.

Welche Studien das sind, können Sie nachlesen im „Rapid Report“ des Institutes:
Quelle | Rapid Report IQWIG: https://www.iqwig.de/download/P14-02_Rapid-Report_Einladungsschreiben-und-Merkblatt-zum-Mammographie-Screening.pdf

Ergänzung:
Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen hat für die Zahlen zum Mammographie-Screening auf die Ergebnisse von so genannten randomisierten kontrollierten Studien zurückgegriffen. In diesen Studien wurden zwei Gruppen gebildet, die sich in der Brustkrebssterblichkeit nicht unterscheiden: Frauen, denen Mammographie-Screening angeboten wird, und Frauen, denen kein Screening angeboten wird. Diese Studien untersuchten, ob sich die Brustkrebssterblichkeit bei Frauen, denen regelmäßig eine Teilnahme am Mammographie-Screening angeboten wird und von denen auch viele (in den Studien zwischen 65 bis 85 Prozent) teilnehmen, verringert im Vergleich zu Frauen ohne Screening-Angebot.

Randomisierte kontrollierte Studien haben in der Wissenschaft den höchsten Stellenwert. Denn diese Studien können am besten den Nachweis des Nutzens für eine diagnostische oder therapeutische Maßnahme erbringen.

Allerdings wurden die randomisierten kontrollierten Studien zum Mammographie-Screening vor mehr als 20 Jahren durchgeführt. Seither haben sich Diagnostik und Behandlung von Brustkrebs deutlich verbessert. Wie sich diese Entwicklungen auf die Wirksamkeit des Mammographie-Screenings heute auswirken, kann nicht abgeschätzt werden.

Aktuellere Daten zum Nutzen eines Mammographie-Screenings, also der Anzahl der geretteten Leben, liefern so genannte Beobachtungsstudien aus laufenden Screening-Programmen. Deren Aussagekraft wird von der Wissenschaft jedoch niedriger eingeschätzt als die Aussagekraft der randomisierten kontrollierten Studien.

Kann das Mammographie-Screening empfohlen werden?

Die Mammographie gilt als einzige wirksame Screening-Methode zur Brustkrebs-Früherkennung für Frauen zwischen 50 und 69 Jahren. Das ist durch Studien belegt. Deshalb ist das Mammographie-Screening-Programm in Deutschland fester Bestandteil der Krebsfrüherkennung und wird von den gesetzlichen und privaten Krankenkassen finanziert.

Mehrere internationale Expertengremien wie die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfehlen ausdrücklich die Durchführung eines Mammographie-Screening-Programms als Früherkennungsmaßnahme für Frauen zwischen 50 und 69 Jahren. Denn nach ihrer wissenschaftlichen Analyse überwiegt der Nutzen die Nachteile der Früherkennung von Brustkrebs.

Als wichtigster Vorteil der Früherkennung von Brustkrebs wird gesehen, dass Frauen durch die Untersuchung vor dem Tod durch Brustkrebs bewahrt werden können. Als wichtigster Nachteil gilt die „Überdiagnose“. Überdiagnosen kommen bei jeder Krebsfrüherkennung vor: Krebs wird entdeckt und behandelt, der jedoch im Laufe des Lebens ohne diese Früherkennungs-Untersuchung nicht auffällig worden wäre.  Wie häufig Überdiagnosen in der Früherkennung von Krebs auftreten, kann die Wissenschaft nur schätzen. Die Angaben dazu sind sehr unterschiedlich.

Expertengremien wählen bei der Bewertung von Nutzen und Schaden unterschiedliche Herangehensweisen und kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen. Daher gibt es auch einige Expertengremien, die die Nachteile eines Mammographie-Screenings höher bewerten als den Nutzen.

Im Merkblatt des Gemeinsamen Bundesausschusses, das jede Frau in Deutschland ab 50 Jahren mit der Einladung zum Mammographie-Screening-Programm erhält, steht die freie Entscheidung der Frau im Vordergrund: „Ob Sie am Mammographie-Screening teilnehmen möchten oder nicht, entscheiden Sie selbst.“